GROSSE & GRÖSSERE POETEN 18./19. JH.


Liebe Leser,

willkommen auf der Seite der großen und größeren Poeten des 18. und 19. Jahrhunderts.
Der Autor steht jeweils unter dem Werk, sodass zu Beginn die Zeilen allein wirken...

Wunder-bares, Wahres wertvoll gefasst.
Mehr Worte braucht es hier nicht..

Jedes neue Stück im Raume schließt sich vorne, oben an. 
Beim tiefer Dringen kann immer wieder schon Geschautes auf's Neue bewundert werden.

Genießen Sie es.
Viel Freude!



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Der Schatzgräber



Arm am Beutel, krank am Herzen,
schleppt ich meine langen Tage.
Armut ist die größte Plage,
Reichtum ist das höchste Gut!
Und, zu enden meine Schmerzen,
ging ich einen Schatz zu graben.
Meine Seele sollst Du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut.


Und so zog ich Kreis um Kreise,
stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zusammen:
die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte Weise
grub ich nach dem alten Schatze
auf dem angezeigten Platze.
Schwarz und stürmisch war die Nacht.


Und ich sah ein Licht von weitem,
und es kam gleich einem Sterne
hinten aus der fernsten Ferne,
eben als es zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten:
heller wards mit einemmale
von dem Glanz der vollen Schale,
die ein schöner Knabe trug.


Holde Augen sah ich blinken
unter dichtem Blumenkranze;
in des Trankes Himmelsglanze
trat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich freundlich trinken.
Und ich dacht: es kann der Knabe
mit der schönen, lichten Gabe
wahrlich nicht der Böse sein.


,,Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
kommst mit ängstlicher Beschwörung
nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens.
Tages Arbeit, Abends Gäste!
Saure Wochen, frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort.''



J.Wolfgang v. Goethe. Mai 1797





Johann Wolfgang von Goethe
( 1749 - 1832 )
Deutscher Dicher (u.a.)



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An dem stillen Meeresstrande


An dem stillen Meeresstrande
Ist die Nacht heraufgezogen,
Und der Mond bricht aus den Wolken,
Und es flüstert aus den Wogen:
Jener Mensch dort, ist er närrisch,
Oder ist er gar verliebet,
Denn er schaut so trüb und heiter,
Heiter und zugleich betrübet?
Doch der Mond der lacht herunter,
Und mit heller Stimme spricht er:
Jener ist verliebt und närrisch,
Und noch obendrein ein Dichter. 


Heinrich Heine



 Heinrich Heine
( 1797 - 1856 )
Deutscher Dichter


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Die Linde


,,Ich breite über ihn mein Blätterdach
Soweit ich es vom Ufer strecken mag.
Schau her, wie langaus meine Arme reichen,
Ihm mit den Fächern das Gewürm zu scheuchen,
Das hundertfarbig zittert in der Luft
Ich hauch' ihm meines Odems besten Duft,
Und auf sein Lager lass' ich niederfallen
Die lieblichste von meinen Blüten allen;
Und eine Bank lehnt sich an meinen Stamm,
Da schaut ein Dichter von dem Uferstamm,
Den hör' ich flüstern wunderliche Weise,
Von mir und Dir und der Libell' so leise,
Daß er den frommen Schläfer nicht geweckt;
Sonst wahrlich hätt' die Raupe ihn erschreckt,
Die ich geschleudert aus dem Blätterhag.
Wie grell die Sonne blitzt! schwül wird der Tag.
O könnt' ich, könnt' ich meine Wurzeln strecken
Recht mitten in das tief kristall'ne Becken,
Den Fäden gleich, die, grünlicher Asbest,
Schaun so behaglich aus dem Wassernest,
Wie mir zum Hohne, der im Sonnenbrande
Hier einsam niederlechzt, vom Uferrande.''



Anette von Droste-Hülshoff



Anette von Droste-Hülshoff
( 1797 - 1848 )
Deutsche Schriftstellerin, Komponistin





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Eins und Alles



Im Grenzenlosen sich zu finden,
wird gern der Einzelne verschwinden,
da löst sich aller Überdruß;
statt heißem Wünschen, wildem Wollen,
statt lästgem Fordern, strengem Sollen
sich aufzugeben ist Genuß.

Weltseele, komm, uns zu durchdringen!
Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen,
wird unsrer Kräfte Hochberuf.
Teilnehmend führen gute Geister,
gelind leitend höchste Meister
zu dem, der alles schafft und schuf.

Und umzuschaffen das Geschaffne,
damit sichs nicht zum Starren waffne,
wirkt ewiges, lebendges Tun.
Und was nicht war, nun will es werden
Zu reinen Sonnen, farbgen Erden,
in keinem Falle darf es ruhn.

Es soll sich regen, schaffend handeln,
erst sich gestalten, dann verwandeln;
nur scheinbar stehts Momente still.
Das Ewge regt sich fort in allen;
Denn alles muß in  nichts zerfallen,
wenn es im Sein beharren will.


J.Wolfgang v. Goethe.1821



JOHANN WOLFGANG VON GOETHE
( 1749 - 1832 )
u.a. Deutscher Dichter





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